InterviewNews

Seitenwechsel, die andere Perspektive

Viele von uns Fans leben, lieben und leiden mit dem 1. FCN schon seit Jahrzehnten mit. Nach jedem Spieltag saugen wir in den Sportmedien die Spielanalysen und Spielberichte sowie Informationen über den Glubb auf, früher noch oldschool per Print heute digital. Anlass genug einmal für einen Seitenwechsel. Wir wollen einmal die Aufmerksamkeit auf diejenigen richten, die den Club beruflich ebenso schon sehr viele Jahre begleiten und uns von professionelller, journalistischer Seite aus mit Informationen, Berichten und Spielanalysen versorgen.

Pointiert könnte man sagen das journalistische Establishment rund um den 1. FC Nürnberg.
Beginnen wollen wir mit Christian Biechele vom Sportmagazin Kicker, der seit 28 Jahren beruflich über den 1. FCN berichtet. An der Stelle schon mal ein herzliches Dankeschön an Christian, dass er sich für ein Interview mit Clubfans Reunited zur Verfügung gestellt hat.

Hallo Christian dankeschön, dass du dich für ein paar Fragen zu deinem Wirken als Sportjournalist zur Verfügung stellst. Wir steigen gleich mit den Fragen ein.

CRU: Du hast früher selbst gekickt, soweit ich mich zurück erinnern kann zur damaligen Zeit beim Post SV Nürnberg gemeinsam mit den Niklaus Brothers. Wann oder wie früh entstand bei dir der Wunsch beruflich den Weg in den Sportjournalismus zu gehen?

Christian: Mit 14, 15 Jahren wuchs neben Medizin bei mir der Wunsch heran, später irgendetwas mit Sport zu machen. Deswegen studierte ich auch Sport, zudem sah ich dann eine kleine Chance, Fußball-Profi zu werden. Ich hätte in Frankreich in der damals semi-professionellen League du Midi spielen können, alles war geregelt, doch dann verletzte ich mich im Studium bei der Skilehrerprüfung schwer am Knie. Damit hatte sich das ebenso erledigt wie das Sportstudium. Wobei ich im Nachhinein sagen muss, es hätte für eine 2., geschweige denn 1. Liga nie und nimmer gereicht. Damals war der Fußball zwar bei Weitem noch nicht so schnell wie heute, doch selbst dafür war ich zu langsam.

CRU: Journalismus ist ein weites Feld, war für dich der Sportjournalismus im besonderen der Fußball immer alternativlos oder kamen dir auch schon mal andere Ressorts wie Politik, Kultur, Musik um Beispiele zu nennen, in den Sinn?

Christian: Einst sprach mich nach einem Spiel der damals für den Amateurfußball zuständige kicker-Redakteur an, dass er freie Mitarbeiter suche. Dies war mein Einstieg in den Journalismus, den ich während des Studiums nebenbei mit diversen Praktikas ausbaute. Zum Glück, denn so hatte ich ein Basis, um nach meinem Knie-Malheur umzuschwenken. Ich intensivierte meine Mitarbeit beim kicker, eine Ausbildung machte ich dann aber bei der NN, respektive bei der Hersbrucker Zeitung, wo ich dann nach dem Volontariat auch als Redakteur arbeitete. Zuständig war ich da aber nur ganz am Rande für Sport, in erster Linie machte ich Kommunalpolitik und bunte Themen. Das war erstens sehr lehr- wie abwechslungsreich, und machte mir zweitens auch viel Spaß – auch eine Spezialisierung auf den Medizin-Bereich hätte ich mir damals gut vorstellen können. Parallel dazu blieb ich freier Mitarbeiter beim kicker – und als der mir dann eine Redakteursstelle anbot, sagte meine Sportleidenschaft sofort zu.

CRU: Du bist du als Sportredakteur im Fußball frühzeitig beim Marktführer (Fußball) der schreibenden Zunft, dem Kicker, gelandet – soweit die gute Nachricht, nun zur schlechten Nachricht, der dunklen Seite der Macht (Spaß). Als Clubfan spricht man gerne davon „Clubfan zu sein verkürzt das Leben um mindestens 10 Jahre, wegen dem Nervenverschleiß“. Gilt das auch für Sportredakteure oder kann man auf der professionellen Seite Emotionen bei der Arbeit rund um den Verein dem 1. FC Nürnberg völlig abstellen?

Christian: Nun ja, Emotionen sind doch das was, was den Sport so attraktiv macht – und damit auch den Club. Deswegen stimme ich dem nicht zu, dass der Club das Leben verkürzen soll, er ist wie das berühmte Salz in der Suppe. Wenn ich auf der Pressetribüne sitze, versuche ich aber stets, jedwede Fanbrille abzunehmen, denn Emotionen sind im Erfolg wie im Misserfolg ein journalistisch schlechter Ratgeber. Ob ich das mit der neutralen Sicht hinbekomme? Das müssen andere beurteilen, ich bemühe mich darum, sehr sogar. Bislang bin ich übrigens nur einmal auf der Pressetribüne jubelnd aufgesprungen: Als Jan Kristiansen beim DFB-Pokal-Finale gegen den VfB damals abgezogen hatte, rissen meine Kollege Harald Kaiser und ich die Hände bereits in die Höhe, als der Ball noch in der Luft war. Da ein Teil meiner Familie, vor allem die aus Unterfranken, Hardcore-Clubfans waren und sind, konnte ich quasi gar nicht anders. So etwas prägt, nur als Teenager sah ich den Club mit anderen Augen. Mit dem Post SV waren wir damals in der Jugend oft in einer Liga mit dem Club, schlagen konnten wir ihn nur einmal in einem Pokal-Finale – das aber auch nur, weil er mit dem jüngeren Jahrgang angetreten war.

CRU: Wieviele Jahre begleitest du nun schon den 1. FC Nürnberg als Sportjournalist und wer war damals der erste Club-Trainer, mit dem du es beruflich zu tun bekamst?

Christian: Dem FCN direkt zugeteilt wurde ich erstmals in der Saison 1995/96 – also ausgerechnet in der Spielzeit, als der Club erstmals und bislang einmalig in die Drittklassigkeit abstieg. Der Trainer war damals zunächst Hermann Gerland, dann der leider schon verstorbene Willi Entenmann. Beide waren grundverschieden, und doch das, was man echte Typen nennt. Wobei der „Tiger“ zunächst sogar ein wenig angsteinflößend sein konnte. „Was hast du Osterhase da für eine Scheiße geschrieben“, faltete er mich schon mal zusammen, wenn ihm etwas missfiel. Im Lauf der Zeit erkannte ich aber, dass hinter der harten Schale ein ganz, ganz feiner, mitunter gar zu gutmütiger Mensch steckt – und ein absoluter Fußballfachmann, der einem den Kern dieser Sportart wie wenig andere nahebringen kann. Der Kontakt zu ihm ist seitdem nie abgerissen.

CRU: Wir wollen uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen zu versuchen, dir das ein oder andere Geheimnis aus dem Nähkästchen zu entlocken. Beginnen wir mit der Frage, wenn du aus deiner gesamten beruflichen Laufbahn 3 Personen beim 1. FC Nürnberg nennen solltest, die bei dir den größten Eindruck hinterlassen haben im positiven oder auch im negativen Sinn, welche wären das und warum? (es können Spieler, Trainer, Präsidenten, Manager sein..)

Christian: Das ist eine ganze fiese Frage, weil ich im Lauf der Jahre so viele interessante wie imponierende Menschen kennenlernen durfte – von Spielern, Trainern, Managern wie auch dem Staff um die Mannschaft herum. Stellvertretend für alle nenne ich dennoch zwei: Dieter Nüssing, ein unverwechselbares Original, den ich als kleiner Bub bewunderte, dessen Wege ich dann später im Amateurbereich kreuzte, als er dort als Spielertrainer wie als Coach tätig war, und der nun beim FCN seit Jahrzehnten ein Super-Job macht, ich sage nur Super-Spürnase. Als zweiten nenne ich Peter Knäbel, den Kapitän der Saison 1995/96 und des dann folgenden Durchmarsches von der 3. in die Bundesliga. Seitdem verbindet mich mit ihm eine echte Freundschaft. Doch wie gesagt, würde ich diese Liste nun fortführen, dürfte ich mir für die nächste Zeit nichts mehr vornehmen.

CRU: Nach den Personen zu den Erlebnissen, welche sind die 3 Erlebnisse mit dem Club, die sich am tiefsten in deine Erinnerungen positiv oder negativ in deinem langen Wirken als Sportjournalist eingegraben haben?

Christian: Auch das zu beantworten, ist ähnlich schwierig. Im Schnelldurchgang: Der Pokalsieg 2007 mitsamt dem Fußball, den der Club damals unter Hans Meyer geboten hatte, die familiäre Drittliga-Saison 1996/97, die letztlich 1998 in der Bundesliga endete, und die Abstiegsrelegation gegen Ingolstadt vor vier Jahren mit der Last-Second-Rettung durch Schleusners Stochertor.

CRU: Der Trainer Baumgart stellte jüngst die Behauptung auf bei seiner Trainervorstellung beim HSV, man wechselt im Leben öfter die Frau als den Verein. Hand aufs Herz hast du eine heimliche Liebe natürlich auf den Fußball projeziert. Gib es da etwas von Bundesliga bis Premier League, La Liga usw. einen Verein, der schon immer eine Art heimliche Liebe von dir war?

Christian: Nun ja, ich würde die Eingangsthese anders formulieren. Während sich in Beziehungen anfangs große Sympathien auch schon mal ins Gegenteil verkehren können, sind die Fan-Verein-Verbindung fester als Marmor, Stein und Eisen. Und die brechen ja bekanntlich. Kurz gesagt: einmal Aficionado, immer Aficionado. Bei mir stehen neben und nach dem FCN familiär bedingt 1860, Austria Wien, die Roma und die italienische Nationalmannschaft hoch im Kurs. Tja, und jetzt der Schock: Ich finde es beachtlich, was die Fürther angesichts ihrer bescheidenen Bedingungen zu Wege bringen. Ohnehin drücke ich generell bayrischen Vereinen irgendwie immer die Daumen. Zudem verfolge ich auch die Vereine ganz genau, für die ich mal gespielt habe, die mich als Trainer ertragen mussten, oder noch schlimmer beides zusammen. Allen voran den Post SV und den SV Schwaig.

CRU: Noch eine sportliche Frage und zwar deine persönliche Einschätzung, in wie vielen Jahren glaubst du wird der 1. FCN wieder erstklassig sein und in der 1. Bundesliga spielen oder bleiben wir jetzt für immer ein durchschnittlicher bis ambitionierter Zweitligist?

Christian: Mit jeder Saison, die du länger in der 2. Liga spielst, wird es schwieriger aufzusteigen, lautet ein ungeschriebenes Gesetz. Da ist schon was Wahres dran, weil du in der 2. Liga als ambitionierter Verein in der Regel eine Saison nur mit einem finanziellen Gewinn abschließen kannst, wenn du am Ende Spieler verkaufst. Du verlierst also Jahr um Jahr Substanz. Derzeit kann ich beim besten Willen nicht erkennen, dass der Club in der nächsten Zeit mal als großer Aufstiegsfavorit in eine Saison geht. Das bedeutet aber nicht, dass ein Aufstieg unmöglich ist. Nur, der Club muss eine nahezu perfekte Saison hinlegen, während höher Gehandelte à la Hertha, Schalke oder auch wohl der HSV zum fünften Mal in Serie ihre PS nicht auf den Rasen bekommen. Das kann trotz des Umbruchs im Sommer auch bereits in der nächsten Spielzeit der Fall sein, es kann aber auch noch viele, viele Jahre dauern. Wenn ich das genau wüsste, würde ich sofort barfuß in den nächsten Wettladen rennen.

CRU: Abschließend die Frage glaubst du, dass du es als Sportjournalist noch erleben wirst die Clubspiele in einem neuen, reinen Fußballstadion des 1. FC Nürnberg zu erleben?

Christian: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: Als Fußball-Begeisterter antworte ich, hoffentlich bald möglichst, also in rund vier Jahren, wobei ich die Stimmung im derzeitigen Max-Morlock-Stadion richtig gut finde, wenn der Club entsprechend spielt.
Als jemand, der ehrenamtlich im Breitensportbereich unterwegs ist und um den zum Teil gelinde gesagt unschönen Zustand von städtischen Sportanlagen weiß, sehe ich das Vorhaben mit Skepsis. Nur wenn ein oder mehrere Investoren aus der Wirtschaft das Projekt stemmen, darf es angesichts klammer Stadt-Kassen realisiert werden. Andererseits kostet der Unterhalt des zum Teil stark renovierungsbedürftigen Stadions den Steuerzahler im Jahr auch mehrere Millionen Euro – kein Thema also, in dem es nur Schwarz oder Weiß gibt.
Allerdings wundere ich mich schon ein wenig darüber, wenn manche FCN-Verantwortliche sagen, dass mit dem jetzigen Stadion selbst Zweitliga-Fußball auf Dauer gefährdet sei. Nun ja, was soll da zum Beispiel der Nachbar aus Fürth sagen, der rund 20 000 Zuschauer pro Spiel weniger hat. Oder die Heidenheimer, die jüngst mit einem 15 000 Zuschauer fassenden Stadion aufgestiegen sind.

CRU: Haben wir eine Frage vergessen zu stellen, die du gerne beantwortet hättest oder willst du am Ende noch etwas loswerden?

Christian: Vieles, aber ich fürchte, das interessiert so sehr wie der berühmte umfallende Sack Reis.

Interview Ende

Interview: Clubfans Reunited, Juwe
Interview Gast: Christian Biechele, Kicker Sportmagazin
Bildquelle: Christian Biechele

 

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