Es rappelt in der Kiste
Ene, mene, miste,…
Der Aufsichtsrat hat ausgezählt.
Es hat in der Kiste gerappelt.
Und Dieter Hecking ist weg.
Der 1.FC Nürnberg stellte die offizielle Meldung am Sonntag, den 5. Mai 2024 um 17:14 auf die Vereins-Homepage.
https://www.fcn.de/news/artikel/club-trennt-sich-mit-sofortiger-wirkung-von-dieter-hecking/
Die Stimmung und Haltung im Aufsichtsrat zur Personalie Dieter Hecking erlebte im letzten Jahr eine rasante 180-Grad-Wende von “Vertrag verlängern – Konstanz wahren!”, über “Nach dem Ende der Vertragslaufzeit sollte Schluss sein!”, weiter zu “Vielleicht besser doch schon nach dieser Saison!”, bis zum finalen Vorhang: “Club trennt sich mit sofortiger Wirkung von Dieter Hecking!”
Überraschend kam die Meldung dennoch nicht. Die Geschäftsbeziehung zum nüchternen Sachverwalter und Sportvorstand Dieter Hecking war schon lange abgekühlt – beidseitig!
Als Dieter Hecking beim Club als alter Bekannter die Chance erhielt, seine ersten Gehversuche jenseits der Trainerbank zu unternehmen, war sein erstes großes Ziel, eine Aufbruchstimmung beim fränkischen Traditionsverein zu entfachen. Der Club ging nach dem gescheiterten Experiment mit dem unerfahrenen Robert Palikuca direkt ins nächste Wagnis. Und erntete im Umfeld zwar insofern Zustimmung, als dass mit Dieter Hecking ein Funktionär für die sportliche Schaltzentrale gefunden war, der den Club kannte und um dessen Mentalität und emotionalen Achterbahnfahrten zwischen Himmel und Hölle wusste.
Es gab aber auch einige Stimmen, die warnend an die Flucht bei Nacht und Nebel im Dezember 2012 gen Wolfsburg erinnerten – nach kurz zuvor betonter Verbundenheit. Und die auf seine überschaubare Begeisterungsfähigkeit verwiesen.
Sportliche Stagnation
11-8-14-13.
Das sind die nackten Fakten. Die Tabelle lügt selten.
Unter der sportlichen Verantwortung von Dieter Hecking ging es eindreiviertel Saisons mit dem frisch verpflichteten RB-Trainer Gewächs Robert Klauß wirklich bergauf, ehe der Mannschaft am Ende der Saison 2021/22 die Puste ausging und Robert Klauß auf Etappen in die nächste Saison hinein dem neuen Kader nur noch mittelmäßige Leistungen abringen konnte. Statt Aufbruchstimmung, Weiterentwicklung und Schnuppern am Aufstieg, wonach es im Frühjahr 2022 durchaus noch aussah, folgte mit der Demission von Robert Klauß der Rückfall in die “Wurschtel-Ära” am Rande der Drittklassigkeit.
Den spät eingestandenen Fehler mit der Verpflichtung von Markus Weinzierl korrigierte Dieter Hecking mit einer persönlichen Degradierung und Doppelfunktion. Gemeinsam mit Cristian Fiel wollte er allen beweisen, dass der Kader deutlich mehr Qualität besaß als Klauß oder Weinzierl in der Lage waren, diesem zu entlocken. Und blieb den Beweis schuldig. In aller Seelenruhe schwadronierte der Doppelfunktionär von Ruhe bewahren, fränkischem Pessimismus, überzogenen Erwartungshaltungen und Geduld.
Gerade noch so sprang der Club vergangene Saison dem Abstieg von der Schippe.
Mal wieder.
Aufbruchstimmung?
Fehlanzeige!
Fehleranalyse und Selbstkritik?
Mangelhaft und nicht vorhanden!
Zur “Belohnung” für den Klassenerhalt – ausgegebenes Ziel war Platz 1-6, wurde der Vertrag mit Dieter Hecking verlängert. Die neue Saison begann dennoch vielversprechend. Unter Cristian Fiel sorgte die Mannschaft für einige tolle und lange nicht mehr gesehene spielerische Glanzlichter. Stand heute: Ein Strohfeuer. Mal wieder. One step up and two steps back…! Die sportliche Entwicklung in Summe: Mau bis ungenügend.
Finanzielle und strategische Herausforderungen
Dieter Hecking wird im Rückspiegel eines zurecht behaupten können: Er hat, dank hoher Transfererlöse, großen Anteil an der finanziellen Konsolidierung des Vereins. Allein: Er ist nicht Finanzvorstand! Mit dieser von Beginn an bekannten Herausforderung, nicht aus dem Vollen schöpfen zu können, die sich durch die Corona-bedingten Einnahmeausfälle verstärkte, war die Mission Weiterentwicklung und mittelfristige Rückkehr in die höchste Spielklasse eine sehr hohe Hürde. Dieter Hecking wusste das. Er musste sich bei der Kaderplanung auf Risiken einlassen. Lose ziehen und nicht wissen, was drin ist. Heute wissen wir: Es waren mehr Zettel mit der Aufschrift “Leider verloren” statt “Gewonnen” in der Lostrommel. Die Kreativität war überschaubar. Die Hauptgewinne wurden dagegen in der Talentschmiede ausgebildet. Das NLZ lieferte die nötige Dosis Qualität und vorgenerierte Transfererlöse: Uzun, Brown, Jeltsch, Hofmann, Kania. Ein Verdienst, der zwar nicht direkt, aber auch Dieter Hecking zuzuschreiben ist. Die Entwicklung und Integration junger Eigengewächse sollte Teil des Nürnberger Wegs sein und wird es auch bleiben wird (müssen). Diesen Weg hat Dieter Hecking als Sportvorstand gefordert, gefördert und damit auch mitverantwortet.
Heute wissen wir: Mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit hält der Club die Klasse aufgrund der Talentschmiede, nicht wegen gelungener Transfercoups. Die zu erwartenden Transfererlöse werden auch zukünftig dafür sorgen, dass der Club nicht jährlich um die Lizenz bibbern muss.
Bei der Bewertung in diesem Bereich muss man zumindest anerkennen, dass Dieter Hecking bemüht war, aus den mageren Möglichkeiten das Maximum herauszuholen – in Summe: Nicht zufriedenstellend bis gerade so ausreichend.
Mangelhafte Identifikation & Kommunikation
Der Club wusste, wen er holte.
Einen nüchternen Niedersachsen, der nie einen Hehl daraus machte, dass die fränkische Mentalität nicht mit seiner Art, die Welt zu sehen, übereinstimmte. Dieter Hecking war in keiner Phase seiner Amtszeit als Funktionär bereit, die fremdelnde Disharmonie zu überwinden. Sein Lavieren bei der Vertragsverlängerung, menschlich verständlich, verstärkte die Wahrnehmung, “Er will nur hierbleiben, bis er was anderes findet!”, weiter zur Befürchtung „Am Ende flüchtet er wieder!”, bis zur Erkenntnis: “Der wird hier nie warm mit uns!”
Seine verbalen Ausrutscher und Einordnungen, von “Folklore” bis zur “ordentlichen Saison”, seine schon verzweifelt anmutende Rumpelstilzchen-Auftritte in der Kabine, deuten darauf hin, dass er zusehends genervt davon war, in der fränkischen Diaspora den Fans ausreichend überzeugend den steinigen Weg schmackhaft zu machen, glaubhaft den CSR Weg des Clubs mitzutragen, einschränkende Notwendigkeiten ausreichend zu erklären und allen, denen der Club am Herzen liegt, ein Gefühl des Verständnisses zu vermitteln. Eine intrinsische Motivation, den fränkischen Traditionsverein so zu nehmen, wie er nun mal ist, die war gut versteckt, wenn sie überhaupt je vorhanden war. Vom stillen Gast in Nürnberg zum Zampano in der Kabine. So hart es klingt: Wer als Vorstand derart desaströs agiert, nichts erklärt, Identifikation und Begeisterungsfähigkeit vermissen lässt und am Ende polternd in die Kabine stürmt, der ist doppelt am falschen Platz – in Nürnberg und als Funktionär.
In Summe: Katastrophal!
Und nun?
Dass der Aufsichtsrat die Reißleine zieht, wenn das Fass überzulaufen droht, vielleicht intern im Ringen um die Werte des Clubs vielleicht auch schon übergelaufen ist, ist konsequent und überfällig.
Nun liegt der Ball für die Suche eines Nachfolgers laut Satzung wieder beim ehrenamtlichen Aufsichtsrat. In der Pressemeldung heißt es, man plane momentan keine weiteren Veränderungen im sportlichen Bereich. Die Suche nach einem neuen Sportvorstand habe zudem bereits begonnen. Stefan Heim werde kommissarisch den vakanten Vorstandsposten Sport übernehmen, unterstützt von Olaf Rebbe und Michael Wiesinger.
Soweit, so klar.
Mag sein, die Ehrenamtlichen zaubern einen geeigneten Kandidaten aus dem Hut.
Wer hat Zeit? Wer ruft wen an? Wie bekommen alle im Gremium alle nötigen Informationen? Wie läuft die Vorauswahl? Wer entscheidet, wer zur Vorstellung an den Valznerweiher kommen darf?
Professionell kann das nicht sein. Das ist kein Vorwurf an den Aufsichtsrat.
Aber es ist ein Appell an den Verein und auch an alle Mitglieder des Vereins, sich zu überlegen, wie man diese sich wiederholende Schwachstelle in der Satzung verändern kann. Es braucht eine neue Struktur, ein neues Organigramm, einen runderneuerten Club. Vielleicht hilft der Blick über den Tellerrand an einen Ort mit den meisten Sonnenstunden Deutschlands zu einem Verein mit Konstanz auf der Trainerbank – ja, gemeint ist der SC Freiburg.
Dort gibt es neben den Vorständen ein Präsidium und neben dem Aufsichtsrat einen Ehrenrat. Hört sich komplex an, sorgt aber in der Praxis für eine gesunde Vereinsorganisation im Profisport. Wenn der Club eine Zukunft im Profisport haben will, wäre eine neue Vereinsstruktur der wichtigste Ansatz.
Sonst werden wir beliebig häufig Pailkucas, Heckings, Klauß’, Weinzierls und Fiels kommen und gehen sehen, ohne dass der Verein ein Gesicht, eine Vision oder eine Entwicklung erfährt.
Werte Herren Aufsichtsräte, packen Sie’s an – damit der Club mehr Gewinne in der Lostrommel findet und sich endlich verabschiedet von der aktuellen, tristen, scheinbar nicht enden wollenden
Entwicklung: One step up and two steps back!
Autor: Teo
Bildquelle: Juwe