Endlich Sommerfußball
Ein seltener Moment im Max-Morlock-Stadion: Can Uzun – FUSSBALLGOTT! – rundet mit einem Solo zum 3:0 in der 64. Minute einen souveränen (!) Heimsieg (!) ab. Über 30.000 Menschen dürfen sich danach noch fast eine halbe Stunde entspannen, Sommerfußball (und ein paar Halbchancen) genießen, Auswechslungen bejubeln und in Ruhe über Sportliches, Nicht-Sportliches und die Zukunft nachdenken.
Niemand darf sich beschweren: Egal ob zu Fuß vom Bahnhof oder mit dem Oldtimer zum Parkplatz S1, das „schwierige Umfeld“ pilgerte zu seinem Club und stärkte der Mannschaft den Rücken. Kaum einer schimpfte, wenn in der ersten halben Stunde etwas nicht klappte, jeder Spielzug über mehr als eine Station wurden beklatscht, auch als das Spiel einmal kurz zu kippen drohte – Elversberg wurde aggressiver, hatte erste Chancen und ein Abseitstor – hielten sich die defätistischen Kommentare in Grenzen. Bis – ausgerechnet – der überraschend eingesetzte Lohkemper, der 40 Minuten gefühlt immer durchs Abseits geirrlichtert war, den einen Moment richtig stand. Danach Pause, Elfmeter, Jambo versenkt, Vale fällt Fiél um den Hals, Horst Steffen setzt sich frustriert auf die Gästebank und der SV Elversberg ergibt sich.
Der Club bleibt Zweiligist, aber die Unsicherheit war nach Spielschluß im Stadion greifbar. Die Mannschaft verkniff sich bei ihrer „Ehrenrunde“ allzu demonstratives Jubeln (während die Elversberger sich hüpfend beim für ihre Verhältnisse großen „Auswärtsmob“ bedankten), man ging nicht im Pulk, sondern in einer sehr lang gezogenen Reihe um den Platz und zurück zur Tribüne, wo Freunde und Familie warteten, als wolle jeder auch ein bißchen alleine sein. Selten daß mehr Spieler zusammenstanden. Die sehr nachdenklichen, geradezu kryptischen Aussagen von Trainer Fiél vor und nach dem Spiel passen zu dieser Situation. Die lange im Stadion verbliebenen Fans gingen danach ruhig nach Hause oder in die umliegenden Biergärten, wo auch keine laute Feierstimmung aufkam, außer bei einem Jungesellenabschied, der den Leuten mit den üblichen Spielchen auf die Nerven ging.
Selten habe ich danach eine so konstruktive, von Sympathie getragene Trainerdiskussion gehört: Niemand will ihn weghaben, aber die Angst ist da, daß Fiél dem Druck der Liga nicht gewachsen ist – eigentlich wäre er Jugendtrainer, wie böse Stimmen aus Dresden sagten. Die Detailversessenheit seines Coachings, das Mitlaufen, Gestikulieren, das selbst in der 87. Min. beim Stand von 3:0 an Intensität nicht nachließ: Überfordert das die Spieler? Stört es am Ende den Spielfluß. Ist es Zeichen der eigenen Überforderung? Und nimmt das ein Spieler irgendwann einfach nicht mehr ernst, der älter als 17 Jahre ist? Bei allen anderen Fragen, Hecking, Joti, Reuter, Mathenia und Kania drehte man sich ebenso im Kreis: Mein weiß nicht, was die letzten Wochen wirklich gelaufen ist, wie soll man da wissen, was man ändern muß.
So blöd es klingt, das „bedeutungslose“ Spiel gegen den HSV könnte richtungsweisend sein. Vielleicht steht ein neuer Sportvorstand bereit, vielleicht zeigt Christian Fiel, wie er sich die neue Saison und Mannschaft vorstellt, vielleicht möchten einzelne Spieler auch noch zeigen, daß sie ohne Druck und nach dem Pflichtsieg noch motiviert sind und ihre Zukunft beim Club sehen. Und der geneigte Fan würde sich danach eine zumindest leidlich öffentliche Aufarbeitung wünschen. Danach bekommen die Clubverantwortlichen dank EM ein bißchen Ruhe von der Fußball-Öffentlichkeit. Die sie hoffentlich konstruktiv nutzen.
Autor: Exilfranke
Stadionbilder: Exilfranke
Titelbild: Juwe