Saison-Rückblick Teil 1 – Tiefpunkte
Man möchte die Saison am liebsten abhaken.
Die größtenteils negativ geprägten Erinnerungen in den Kellerschrank verstauen, Schrank und Keller doppelt abschließen und die Schlüssel in die Tonne werfen. Und hoffen, dass die Müllabfuhr recht zügig das Gedächtnis löscht.
Pustekuchen!
So einfach gelingt das vielleicht dem Clubkader. Wir handhaben das etwas anders.
In einem dreiteiligen Rückblick, lassen wir die Saison mit Tiefen und Höhen Revue passieren, versuchen uns in einem Fazit und ganz am Ende dürft ihr alle wählen. “Drama in drei Akten” oder “Wenn die Mannschaft schon keinen Dreier kann – wir schaffen einen!”
Im ersten Teil stellen wir uns die Frage, welche singulären Ereignisse und Szenen uns im Negativen in Erinnerung bleiben werden – nicht ein bestimmtes Spielresultat, sondern besondere Momente. Im zweiten Teil geht es um die raren Highlights. Die Low- und Highlights erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Einige von uns mögen manche Lowlights vielleicht lieber zu den Highlights rechnen, und umgekehrt. Nehmt es als Anregung, eure Ups & Downs, auch eure persönlichen Leidensgeschichten und Freudensprünge der Saison in den Kommentaren mit uns allen zu teilen.
Denn eins ist sicher: Nur gemeinsam halten wir Fans uns emotional über Wasser. In welche Richtung sich unser Club entwickelt oder entwickeln sollte, ob der Trainer nun geeignet ist für den Umbruch oder nicht, ob die Uzun-Millionen reichen werden für den großen Invest in neue Beine oder der Geldregen doch besser in Steine investiert werden sollte……wir können darüber herzhaft streiten. Am Ende tragen wir alle rot-schwarz im Herzen und können nicht aus unserer Haut und hoffen gemeinsam auf die nächste Spielzeit, auf dass sich nächste Saison die Highlights leichter finden lassen als die Lowlights.
Tiefpunkte
1 – Pfiffe gegen Mathenia
Es war alles andere als eine leichte Saison für Chris Mathenia. Gestartet als klare Nummer eins, kam er immer und immer wieder im Spielaufbau ins Rudern oder brachte andere in die Bredouille. Erst glücklos, dann noch mit Pech geprügelt, fast konnte man Mitleid haben. Ein gestandener Profi, der in seiner Club-Ära zwar nie überragend agierte, aber zumindest solide und herzverbunden seinen Tormann stand, wirkte zunehmend mit sich, dem Fußball und der neuen Spielanlage überfordert. Der Atem stockte auch uns regelmäßig bei seinen waghalsigen bis unüberlegten Aktionen – mal überhastet, wenn’s Ruhe gebraucht hätte und dann wieder zögerlich, wenn ein schnelles Handeln gefragt gewesen wäre…
Nein – das war mit Abstand die schlechteste Hinrunde von Chris Mathenia.
Als Chris Mathenia aber Ende Oktober 2023 während des Heimspiels gegen Hertha (3:1) ausgepfiffen wurde, und zwar vom eigenen Anhang, da dürfte durchaus etwas kaputt gegangen sein bei unserem Keeper. Über Pfiffe im Stadion kann man geteilter Meinung sein. Manche finden sie nötig, manche würden das nie in Erwägung ziehen.
Formulieren wir es mal so: Als Quittung für eine Nichtleistung am Ende eines Spiels sollte die Mannschaft das einordnen können. Ein Auspfeifen eines einzelnen Spielers während des Spiels allerdings ist ein No-Go.
Kopf hoch, Chris, Handschuhe reiben und angreifen! Oder Jan Reichert zu Höchstleistungen treiben.
https://www.br.de/nachrichten/sport/1-fc-nuernberg-fiels-ueber-pfiffe-gegen-mathenia-geht-nicht-in-meinen-kopf,TtQVQfY
2 – Castrop – Und raus bist du…
Zu Castrop könnte man anmerken, dass er ein hervorragender Deal von Olaf Rebbe war. Oder dass wir eben doch einen “Aggressive Leader” in unseren Reihen haben – einen jungen Mentalitäts-Wilden, mit Potenzial obendrein. Einen, der Teil eines neuen Gerüsts werden könnte.
Aber um Castrop geht es hier nur als Delinquent.
Derby. 23. Spieltag. Fürth gegen unseren Club.
Es stand 1:1, als Schiri Robert Schröder ab Minute 31 seine Karten im Minutentakt zu zücken gewillt war – komme, was da wolle…
Hrgota nutzte ein Kontäktchen von Brown zur “Ich-falle-wie-ein-gefällter-Baum”-Einlage im Nürnberger Strafraum. Kein Elfer. Gelb sieht im Nachgang Horn, weil er dem Schiedsrichter einen deutlichen Vortrag über FairPlay hielt…
In der 33. Minute ließ der Fürther Jung den noch immer erhitzten Horn auflaufen. Wieder gelb.
Und keine Minute später kreuzte Green den Laufweg von Castrop, der zuerst ungläubig den Pfiff des Schiedsrichters und schließlich fassungslos die Ampelkarte zur Kenntnis nehmen musste. Vier Karten in drei Minuten. Großes Kino und großer Auftritt für Herrn Schröder! Rampenlicht ist so schön!! Das Derby hatte seinen Schröder-Stempel und Castrop eine, soweit darf man spekulieren, ausschließlich seinem Ruf geschuldete, unberechtigte gelb-rote Karte.
Wer hin und wieder europäische Spitzenspiele in der Champions-League ansieht, wird zustimmen: Keine, wirklich keine dieser Karten war nötig. Souveräne, unauffällige Spielleitung geht anders. Vielleicht lernt Robert Schröder das noch. Vielleicht auch nicht. Am Ende siegte Fürth 2:1. Der Club war aber zumindest noch kämpferisch unterwegs.
Notiz am Rande: Nach dem Derby stand Fürth mit 38 Punkten auf Platz 4, der Club stagnierte auf Platz 12 mit 30 Zählern. Beide bekleckerten sich den Rest der Runde nicht mit Ruhm – in den 11 verbleibenden Spielen sammelte Fürth noch 12, der Club triste zehn Punkte.
https://www.youtube.com/watch?v=7H8VoCcL7Og
3 – Kabinenprediger Hecking
An sich ein Vorgang, bei dem einem der Mund offen stehen bleibt. Dieter Hecking stürmte doppelt die Kabine. Erst in der Trainingswoche unter dem Slogan “Fiel – draußen vor der Tür!”, dann im persönlichen furiosen Abschiedsfinale in der Halbzeitpause im Heimspiel gegen Karlsruhe. Der Kick gegen Karlsruhe dürfte zwar sehr sicher eine der bodenlosesten Darbietungen einer Clubelf gewesen sein. Aber Zampano Rumpelstilzchen setzte der ganzen Tragödie die Krone auf und war sich mit gewohnter Verspätung nicht zu schade, den Auftritt drei Tage später als Schutz für Trainer Fiel zu rechtfertigen. Die Kirsche auf der Sahnehaube dann dieses Statement: “(..)und deswegen wollte ich den emotionalen Part der Halbzeit-Ansprache übernehmen, damit er [Fiel] sich auf die spieltaktischen Dinge konzentrieren kann.”
Ja. Ist klar. Während der Sportvorstand die Kabine mit Dezibel füllt, soll der Trainer spieltaktische Anweisungen geben können…
https://www.bild.de/sport/fussball/fcn-darum-eilte-vorstand-dieter-hecking-in-der-pause-in-die-kabine-662fb6b5deedab171f784952
4 – Uzuns Standbein
Eins vorneweg. Nicht der Youngster Can Uzun wird hier als Lowlight bezeichnet. Auch die Lesart, er würde hier als Stehgeiger gebrandmarkt, ist falsch.
Es geht um einen verflixten Elfmeter in einem irgendwie verhexten Spiel.
- April 2024. Nach Heimpleiten und harmlosen Auftritten gegen die beiden Erstliga-Aufsteiger Pauli (0:2) und Kiel (0:4), wollte der Club gegen Paderborn vor heimischer Kulisse endlich wieder einen Dreier einfahren.
Hätte auch klappen können. Der Club traf dreimal, Paderborn nur zweimal. Am Ende stand aber kein 3:2 auf der Anzeigetafel, sondern ein schwer zu verdauendes 0:2.
Zweimal kassierten der Linienrichter und der VAR ein Clubtor wegen Abseitsstellung.
Das Lowlight gehört denn auch dem VAR, der nochmal doppelt eingriff, zuerst, um Uzun die Möglichkeit auf den 1:1-Ausgleich per Elfmeter zu ermöglichen. Can Uzun trat an, der Keeper parierte, der Ball sprang dem 18 jährigen wieder vor die Füße, und der versenkte das Leder im Netz. Jubel. Befreiung! Endlich!! Dann Stille. Exner griff sich ans VAR-Ohr. Und gab schließlich Freistoß für Paderborn am Elfmeterpunkt. Ratlosigkeit im Stadionrund und vor den Fernsehern…
…sowas kannst du dir nicht ausdenken. Uzun soll bei der Ausführung des Elfers den Ball zuerst mit dem ausgerutschten Standbein berührt haben, ehe er aufs Tor schoss. Eine doppelte Ballberührung des Schützen ist aber regelwidrig. Bis heute habe ich keine eindeutige Bildsequenz gesehen, die diese Kölner Keller-These unterstreicht oder beweist. Kurz danach fällt das 0:2 – auch egal. Bedient waren wir da eh schon. https://www.youtube.com/watch?v=V8tlfTk1lVU
5 – Winterliches Downgrade-Transferfenster
Man hätte ahnen können, in welche Richtung sich der Club sportlich in der Rückrunde entwickeln würde. Wenn du zwei mental und spielerisch starke Spieler abgibst und einen verletzungsanfälligen, nicht fitten Stürmer verpflichtest, dann darf man sich nicht wundern, wohin die Reise geht. MMD und Handwerker waren, wenn nicht in der Startelf, so doch immer eine bereichernde Alternative von der Bank. Wichtige Kaderspieler – mindestens.
Konnte man den MMD-Transfer noch nachvollziehen, vor allem aus Respekt vor dem wuseligen und quirligen (wenn auch zunehmend ineffizienten) Norweger, galt das bei dem Leihgeschäft von Tim Handwerker nicht mehr. Er lieferte sich in der Hinrunde ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Nene Brown und brachte immer Leistung, war gar einer der notenbesten Clubberer der Hinrunde, in vierzehn Einsätzen kam der Linksverteidiger auf 2 Tore und drei Assists. Wären Brown und Handwerker auf unterschiedlichen Positionen zu Hause, sie hätten wohl beide alle Spiele der Hinrunde bestritten. Auf die Idee, beide gemeinsam zu bringen, kam Fielo nicht sehr oft. Und überzeugt hat ihn diese Lösung dann scheinbar auch nicht.
Das Ärgerlichste: Auch Nene Brown wurde verkauft – an Eintracht Frankfurt. Die Hessen aber, so der Deal, mussten Brown für die Rückrunde noch an die Nürnberger ausleihen. Die Transfererlöse und die Reduzierung der Spielergehälter waren finanziell wohl bitter nötig. Dennoch ein Transferfenster mit Fragezeichen und Qualitätsschwund auf Etappen.
By the way: Gute Besserung Tim Handwerker!
https://www.fcn.de/news/artikel/auf-leihbasis-nach-holland-handwerker-verlaesst-den-club/
6 – Abwahl Grethlein
In schöner Regelmäßigkeit schießt der Club sich selbst ins Knie. Mit Feuereifer machten vor allem die Ultras im Herbst 2023 vor der Jahreshauptversammlung keinen Hehl daraus, dass Dr. Thomas Grethlein nicht mehr der richtige für den Job des Aufsichtsratsvorsitzenden sei.
Mit dem Gesicht des Clubs seit 2013 verband nicht nur die Szene und ein Bündnis den Untergang des Traditionsvereins, der in der Grethlein-Amtszeit nur eine Saison Erstliga-Zugehörigkeit vorweisen konnte. Der aus dem AR-Gremium beständig immer wieder zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums gewählte IT-Manager und Philosoph, gesegnet mit greifbarer Leidenschaft, unfassbar viel Engagement und Zeit für seinen Herzensverein, wurde per demokratischer Mitgliederwahl vor die Tür gekehrt.
Kann man schon so machen. Wenn man Alternativen hat, die gleiches abliefern können und wollen. Die gab und gibt es aber nicht. Selbst mit Bier und Zigarre kaum zu fassen. Auch wenn Thomas Grethlein das Leben ganz gut einzuordnen weiß: “Das Leben ist kein FC Bayern. Das Leben ist eher wie der Club.” Stimmt. Was es bei den Bayern zu viel an Führung gibt, das gibt es beim Club zu wenig. Und mit dem langfristigen Einbinden verdienter Mitarbeiter hat es der Club ja auch noch nie so richtig gut hinbekommen. Manche Fehler kann man allerdings korrigieren…
Lesenswert: “Applaus für den Abgewählten” https://www.sueddeutsche.de/sport/1-fc-nuernberg-schaefer-grethlein-mitgliederversammlung-protest-wahl-1.6308883
Unten im Kellerschrank steht auch ein Plattenspieler. Ich hole ihn raus, kontrolliere die Nadel und lege eine Vinyl-Scheibe auf den Plattenteller. Auf dem Plattencover ist ein rosa Schweinchen zu sehen. Und aus den Boxen erklingt passend zu den Lowlights, ach was, zu unserem Club: