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The Vibes of 99

Die Kränkungen des Clubfans

„Drei Kränkungen der Menschheit“ nannte Freud die Erkenntnisse der Wissenschaft, was man auch auf den Club übertragen kann: „Krone der Schöpfung“, das war einmal. „Zentrum des Universums“, das müssen wir glauben, auch wenn der Zweifel die Seele zerfrißt. Die letzte Kränkung, nicht „Herr im eigenen Haus“ zu sein, ist die schlimmste: Die Erkenntnis, seit Jahrzehnten von unerklärlichen psychischen und handfesten finanziellen Kräften durch die Arenen getrieben zu werden. So sehr geriet unser Glaube durcheinander, daß wir Todsünden (Jubel über Fürther Tore) für läßlich erklärt haben und Erlösung durch andere Götter erflehen, weil der Heimsieg gegen den SV Elversberg (in Worten: ELVERSBERG) unerreichbar erscheint.

„Die ELV“ – (k)ein Retortenclub

Das kleine Saarland hat bereits drei Bundesligisten hervorgebracht: Den 1. FC Saarbrücken, Gründungsmitglied von Neubergers Gnaden, die heute in Ligaebene 6 verschwundene Borussia Neunkirchen und den FC Homburg, der in den 1980ern mit dem Ommer-Modell der Spielerfinanzierung die Liga „bereicherte“. Schlagzeilen machten bis vor ein paar Jahren aber nur noch Fehlplanungen beim Saarbrücker Stadionumbau und die üblichen Finanznöte. Währenddessen dümpelte der SV Elversberg in niederen Klassen.

Beendet wurde das Schattendasein durch die Familie Holzer. Papa Albrecht Holzer gründete 1974 den Hauptsponsor Ursapharm. Der Autor dieser Zeilen hat das Hauptprodukt neben dem Monitor stehen, um gestreßte Augen zu entspannen. Im Gegensatz zu anderen „Clans“, die sich einen Fußballclub gönnen, gibt es bei Holzers familieneigene sportliche Kompetenz. Sohn Frank begann beim SVE und brachte es mit Braunschweig sogar zu Einsätzen im UEFA-Pokal. Nach Karriereende und Studium stieg er ins Unternehmen ein, wurde Vereinspräsident sowie Feuerwehrmann auf der Trainerbank. Unter ihm wurde Elversberg zur beachteten „Größe“: netter Dorfclub, guter Sport. Später verprellte Holzer viele Fans, als er den SVE gegen den FCS als „Nr. 1 im Saarland“ positionieren wollte. Enkel Dominik mußte 2011 die Scherben zusammenkehren und Sympathien neu aufbauen. Nach einem erfolglosen Jahr 3. Liga setzte sich die ELV im Spitzenfeld der Regionalliga fest, scheiterte mit Michael Wiesinger am Ruder aber zweimal in den Aufstiegsspielen. Seit 2018 leitet Horst Steffen die Mannschaft. Er führte sie in einem kontinuierlichen Aufwärtstrend in die 2. Liga. Star der Mannschaft ist Bayern-Leihgabe Paul Wanner, eine Art österreichischer Uzun.

Ausgerechnet…

Manuel Feil wechselte nach drei Jahren in der U23 des FCN (82 Spiele, 19 Tore) 2018 ins Saarland. Der solide Rechtsaußen war in Regionalliga und 3. Liga gesetzt, auch diese Saison steht er in der Regel in der Startelf (3 Tore), spielt aber meist nicht über die volle Distanz.

Pressekonferenzen: Viel Unruhe und wenig Zuversicht

Nach sehr holprigem Beginn spielte Elversberg – trotz Rückschlägen wie jüngst dem 0:5 in Braunschweig – eine bemerkenswerte Saison. Trainer Steffen forderte auch nach dem amtlichen Klassenerhalt Fokussierung auf einen Sieg: Experimente bei der Aufstellung werde es nicht geben. Steffen traut dem Club einen harten Kampf zu. Dank Christian Fiéls jüngster Taktik der „variablen Aufstellung und Positionierung“ (sehr nett ausgedrückt) ist er sich zudem unsicher, was Elversberg taktisch erwartet. Es besteht für den Club vielleicht die vage Hoffnung, daß bei den Spielern der Spannungsbogen abgerissen ist und noch ein oder zwei Bier in den Knochen stecken.

Allein: Unser letzter Heimauftritt machte selbst hartgesottene Journalisten sprachlos. Dieter Hecking erzeugte wohl so viel zusätzliche Unruhe, daß eine Trennung noch vor Saisonschluß geboten erschien, was aber nicht einmal seine Gegner glücklich macht, zu groß ist die Angst, daß es wieder nicht besser sondern nur anders schlecht wird. Einige Beobachter spekulierten, auch in der PK heute, Christian Fiél könne nach Heckings Abgang „befreiter“ arbeiten und mutiger aufstellen. Der Trainer verneinte das natürlich, deutete aber auch an, daß man nach Saisonende hier noch einmal reden könne. Bei aller Liebe, aber es war ja auch nicht so, daß in den letzten Spielen ein erfolgreiches System gekippt wurde, die Niederlagen zwangen einfach dazu, „irgendwas“ zu probieren. Der Trainer wirkte auch ratlos, er kenne die Mannschaft „sehr, sehr gut“, was aber keine Rückschlüsse (mehr) auf die jeweilige Leistung am Spieltag zuließe. Wenn ich Fiéls „Körpersprache“ interpretieren soll, dann weiß er schon mehr, was die eigene Zukunft betrifft. Er wirkte angeschlagen, redete aber wenig über den Gegner: „Voller Fokus auf uns“. Dafür wurde ihm unter der Woche von Fans der Satz, die Situation um Hecking würde die Spieler beschäftigen, negativ ausgelegt: „Der sucht ja schon wieder eine Ausrede.“

Mir persönlich hat Kapitän Valentini mit seinen dubiosen Aussagen um das „ernsthafter trainieren“ bereits jede Hoffnung auf ein „Aufbäumen“ genommen. Daß danach weder Trainer noch Vereinsleitung klärend eingegriffen haben, fand ich ein äußerst schlechtes Zeichen. Da knirscht es heftig. Das Spiel in Düsseldorf soll immerhin verbessert gewesen sein, aber nur vom Nullpunkt 1. Hz. KSC her gesehen.

Wen wundert es, daß Elversberg leichter Wettfavorit ist? Trotz allem pilgert das „schwierige Umfeld“ am Samstag duldsam und in erstaunlich großer Zahl ins Stadion. Da nicht immer ALLES schiefgehen kann, hoffe ich auf ein unansehnliches 2:1. Aber danach müssen intern die Fetzen fliegen, denn rückblickend war bereits der Sieg im Hinspiel eine schädliche Beruhigungspille.

Heiteres Aufstellungsraten (Hübner wurde nicht fit):

  1. FCN:

Klaus; Brown, Horn, Márquez, Hofmann; Castrop, Uzun, Flick; Okunuki, Schleimer, Goller

SV Elversberg:

Kristof; Neubauer, Joncour, Sickinger, Vandermersch; Fellhauer, Sahin; Rochelt, Wanner, Feil; Schnellbacher

SR: Dr. Max Bude; A: Felix Bickel, Eric Müller; 4. O: Lars Erbst; VA: Harm Osmers, Guido Kleve

Zuschauer:
Bei gutem Wetter 35.000, davon gut 500 aus Elversberg

Autor: Exilfranke
Bildquelle: Knirpzz

  

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