Drei Punkte für ein Halleluja
Am Freitagabend stehen in der „Traditions-Liga“ zwei Spiele an. In Hamburg steigt das Stadtderby im Volksparkstadion. Tief im Westen empfängt die Fortuna den Club. Gemeinsam ist allen vier Mannschaften, dass sie die Notwendigkeit eines Dreiers mit plausiblen Gründen für sich proklamieren können.
Der HSV, weil er nochmal eine Restchance auf den Aufstieg gewittert hat. St. Pauli, weil ein Sieg bereits den Aufstieg besiegeln würde.
Fortuna, weil Kiel schwächelt und bei einem Sieg Platz 3 sicher sein könnte. Der Club, weil er überleben will und mit einem Dreier endlich den Klassenerhalt eintüten könnte.
Das führt zu einer charmanten Querabhängigkeit der Hoffenden.Der HSV drückt dem Club die Daumen.
Fortuna hält es mit St. Pauli.
Die beiden Mannschaften, die es am Freitag selbst in der Hand haben, Klarheit herzustellen, sind St. Pauli und unser Club. Der HSV muss auf Ausrutscher von Düsseldorf hoffen und Fortuna kann zwar aus eigener Kraft aufsteigen, aber für den direkten Aufstieg müssen sie auf Fehler von Kiel hoffen, für den sicheren Relegationsplatz auf siegreiche Kiezkicker.
Diese Erkenntnis darf man ruhig mal sacken lassen. Uns allen dürfte eine Litanei an Gegenargumenten einfallen, wieso der Club nichts mehr in der eigenen Hand zu haben scheint, Fehler in allen Teilen – jeder gegen jeden – trostlos bis perspektivlos – torlos seit vier Spielen – irgendwie und sowieso immer der Depp – undsoweiter, undsofort…
Vom Slogan “Liebe, Glaube, Leidenschaft” ist der Club aktuell so weit weg, wie er es noch selten war. Doch auch wenn die Liebe in Schockstarre eingefroren, der Glaube abhandengekommen und die Leidenschaft nicht mehr sicht- und spürbar sein mag: Der Club hat es selbst in der Hand.
Der Gegner
Fortuna Düsseldorf ist die Mannschaft der Stunde.
In der Formtabelle der letzten fünf Spiele grüßt die Mannschaft vom Niederrhein von der Tabellenspitze, 13 Punkte, 9:2 Tore, lediglich ein Remis, zuletzt auf Schalke, trübt die fast makellose Bilanz.
Ein Blick auf diese 5 Partien:
Auf dem Betze lag F95 bis 15 Minuten vor Schluss 0:1 zurück, ehe Tzolis (2x) und Appelkamp binnen 8 Minuten sehr spät das Spiel drehten. Lange Zeit wirkten die Fortunen zuvor eher einfallslos. Danach folgte das erwartbare Ausscheiden im DFB-Pokal bei Meister Bayer Leverkusen (0:4).
Gegen Braunschweig gelang die Führung spät in der ersten Halbzeit. Entschieden wurde das Spiel kurz nach Wiederanpfiff durch einen Handelfmeter, den Tzolis nach VAR-Einsatz verwandelte.
In Wiesbaden gelang Appelkampp die frühe Führung, das Spiel blieb mit viel Ballbesitz für Wiesbaden bis zur 35. Minute auf Augenhöhe. Dann profitierte Fortuna von einer harten roten Karte gegen Lee, die Wiesbaden den Zahn zog und trotz VAR-Check Bestand behielt. Der Heimsieg gegen Fürth mit einem Treffer von Vermeij war allenfalls ein mühsamer 1:0-Arbeitssieg, Fürth war mindestens gleichwertig.
Und schließlich der Auftritt auf Schalke. Es reichte gerade so zu einem Punkt. Und auch der stand in der Schlussphase auf tönernen Füßen. Harn Osmers entschied in der Nachspielzeit auf Foulelfmeter für Schalke. Doch der Kölner Keller schickte Osmers an die Seitenlinie – am Ende keine gelb-rote Karte gegen Quarshie und keinen Elfmeter für Schalke.
Keine Frage, Düsseldorf steht verdient da, wo sie stehen. Aber sie waren in diesen Spielen auch mächtig mit Fortuna im Bunde:
Spät, Handelfmeter, rote Karte, glücklicher Arbeitssieg, Rücknahme Elfmeter.
Die Spielweise der Fortuna hat sich in der Rückrunde deutlich verändert. Statt wilder Sturmläufe sieht man die Mannschaft eher clever abwartend und schnell umschaltend, klarer Fokus auf eine stabile Abwehrleistung mit weniger Ballbesitz. Und Düsseldorf hat Tzolis, der für Konter geradezu prädestiniert ist und in der Rückrunde in 13 Spielen (gegen Fürth Gelbsperre) auf 11 Tore und 3 Assists kommt. Damit liegt der Grieche mit Robert Glatzel in der Torschützenliste mit 18 Treffern in Lauerstellung auf Platz 2 hinter Haris Tabakovic.
Der Club
Die Clubberer halten in der Formtabelle völlig zurecht die Rote Laterne fest umklammert in Händen. Ein winziges Pünktchen, 3:12 Tore, letzter Platz. Und die drei Tore sowie der Punkt liegen bereits fünf Spiele zurück. In Berlin konnte man letztmals ansatzweise überzeugen. Ein kurzes Aufflackern, was möglich sein könnte. Seitdem jagt eine desaströse Vorstellung die nächste und der Club wäre nicht der Club, wenn nicht postwendend alles aus den Fugen zu geraten droht. Alles ist in Frage gestellt, die Freistellung von Sportchef Dieter Hecking bestenfalls noch aufgeschoben. Zweimal marschierte er zuletzt in die Hoheitszone des Trainers – in die Kabine. Einmal ohne Anwesenheit von Fiel in der letzten Trainingswoche, einmal zur Halbzeit gegen Karlsruhe mit Fielo an seiner Seite. Im Nachgang verteidigte er diese Aktionen auch als Schutz des Trainers. In der Außenwirkung und sicher auch bei Fielo dürfte das anders angekommen sein, zudem Dieter Hecking die Chance ausließ, sich proaktiv dazu zu äußern und somit Cristian Fiel klar den Rücken zu stärken – das kam wie bei dem Folklore-Fauxpas mit reichlich Verspätung und dürfte letztlich in Summe der leicht vermeidbaren Fehler in Kombination mit der ernüchternden Transferbilanz sein baldiges Ende besiegelt haben. Cheftrainer Cristian Fiel wirkte zuletzt ratlos, agierte experimentell und hegt vielleicht Berliner Ambitionen. Die Fans haben die Schnauze voll und verlangen völlig zurecht: “Wir woll’n euch kämpfen seh’n!” So recht mag keiner mehr an eine Kehrtwende glauben, der letzte Strohhalm heißt allenfalls noch Elversberg, irgendwie.
Der Aufsichtsrat als Ehrenamt-Gremium steht vor einer schwierigen Situation. Es sieht danach aus, als wolle man an Fiel festhalten und Hecking ersetzen. Ob es der richtige Zeitpunkt ist? Gut möglich, dass einige Spieler, die man halten möchte (Castrop, Hofmann, Reichert, Kania, usw.) die Entscheidung für einen Verbleib von Fiel und mehr Mitspracherecht in der Kadergestaltung eher zum Bleiben animiert als ein tobender, eher auf Bilanzen fixierter Sportchef es vermag.
Aber all das hat keinen direkten Einfluss auf das Spiel in Düsseldorf. Egal wie der Sportvorstand heißt, wie heißblütig Fiel an der Seitenlinie agiert, wie aktiv der Aufsichtsrat tagt, wie sehr die Fans Erwartungen hegen oder auch resigniert eben das Schlimmste erwarten: Die einzige Gruppe, die es in der Hand hat, ist aktuell die Mannschaft.
Die nahezu verzweifelten Appelle und Einblicke, die Kapitän und Club-Urgestein Enrico Valentini nach dem KSC-Desasterauftritt zum Besten gab, lassen tief blicken und bestätigten lang gehegte Vermutungen. Mir fehlt zwar die Phantasie, dass die Mannschaft einen Gala-Auftritt wie in der Hinrunde in Kiel auf den Rasen zaubert, Goller zum Matchwinner wird und die Abwehr sattelfest steht.
Aber bei allem Defätismus, der um den Club herum wabert, bin ich fest überzeugt, dass wir am Freitag eine andere Clubelf sehen werden: Eine, die sich füreinander zerreißt, alles versucht, Einsatz zeigt und sich über Ballbesitz wundert. Ob es reicht? Wahrscheinlich nicht. Aber es ist möglich. Und wir haben einen Joker, dazu aber später mehr.
Pressekonferenzen
Die Pressekonferenz in Nürnberg fand am Mittwochmittag statt, direkt nach dem öffentlichen Training. Erfreulich darf man registrieren, dass sich über 2000 Clubfans auf den Weg nach Düsseldorf machen werden, um die Mannschaft zu unterstützen. Im Personal-Update wurden drei angeschlagene Spieler genannt: Schindler fällt verletzt aus, Horn ist ein Wackelkandidat, fährt aber mit und Hayashi tritt die Reise an den Rhein erst gar nicht an.
Darauf angesprochen, dass Fiel im Training direkt vorher sehr ruhig gewirkt habe, gab Fielo bemüht ruhig Antwort, dass er die letzten Tage genug geredet habe und Schweigen auch nicht immer das Schlechteste sein müsse. Sauer sei er aber nicht, vielmehr habe er vollstes Vertrauen in sein Trainerteam, die Mannschaft auf “Gas” zu bringen.
Die Aussagen von Vale wurden auch aufgegriffen. Hier wehrte Cristian Fiel die Frage ab, ob das Training heute ernsthaft genug gewesen sei. Das möge man den Kapitän persönlich fragen, er könne dazu nichts sagen. Schade eigentlich, man hätte durchaus erwarten dürfen, dass der Trainer sich mit seinem Kapitän darüber unterhalten hat… Dass es Fiel allerdings missfällt, dass nach wie vor das Umschalten hapert und Spieler aus den Augen gelassen werden, daran ließ der Cheftrainer keine Zweifel.
Weiter erklärte Fielo, dass die Mannschaft bereits im Anschluss an die PK nach Düsseldorf aufbrechen werde. Die Idee dabei sei es, nach dem freien Dienstag, der dazu dienen sollte, die Köpfe frei zu kriegen, weil zurecht viel auf die Mannschaft eingeprasselt sei, ab Mittwoch in Düsseldorf die Mannschaft fern des Alltags zusammen zu haben, um am Freitag ein gutes Spiel abliefern zu können.
Bezugnehmend auf die anhaltende Torflaute, betont der Trainer, dass alle Mannschaftsteile in der Pflicht stünden, offensiv zu arbeiten, nicht nur die Offensivreihe.
Direkt auf die magere Leistung von Uzun und den Reserveplatz für Brown angesprochen, wird Fielo deutlich: Nein, die beiden hätten keinerlei Motivationsprobleme, das sei der aktuellen, neuen Situation geschuldet, und bei jungen Spielern normal.
Abschließend äußerte sich Fielo noch über den Gegner. Er erwarte eine Mannschaft mit viel Selbstvertrauen, individueller Klasse, klarem Plan und System und guter Verteidigung, eine Elf, die dem Club obenrum und untenrum weh tun könne. Und Fortunen, die um schnelle Klarstellung der Verhältnisse auf dem Platz bemüht sein werden.
(https://www.youtube.com/watch?v=ekvDKi6ETmg)
Da die Pressekonferenz der Fortunen zum Zeitpunkt der Entstehung des Artikels noch nicht stattgefunden hat, ein Blick auf die Trainingswoche der Düsseldorfer.
Yannik Engelhardt, gesetzt im defensiven Mittelfeld, verriet im Gespräch mit einem Journalisten, dass Trainer Daniel Joune der Mannschaft deutlich gemacht habe, worauf es ankommt: “Der Trainer hat es jetzt nochmal gesagt, nochmal eine Schippe drauflegen, sich im Training komplett fordern, die Spannung hochhalten, wir brauchen eine Gier, das Spiel zu gewinnen.”
Personell könnte es bei Matthias Zimmermann und Shinta Appelkamp eng werden, sie verließen das Training am Dienstag angeschlagen. (https://www.f95.de/aktuell/news/profis/detail/32215-gierig-in-die-neue-woche/)
F95 – FCN
Anstoß: Freitag, 3.5..24, 18:30 Uhr
Mögliche Aufstellungen:
FCN
Klaus – Gyamerah, Jeltsch, Horn (Marquez), Brown – Flick, Castrop, Uzun – Goller, Schleimer, Andersson
F95
Kastenmeier – Zimmermann, Siebert, Oberdorf, Iyoha – Engelhardt, Johanesson, Appelkamp – Klaus, Tzolis, Vermeij
Tipp: 1:2
Drei Punkte für ein Hallelujah – schließlich habe ich 10€ auf den Club gesetzt, trotz alledem…
…und an dieser Stelle könnte die Spieltagsvorschau enden.
Aber es gibt noch einen emotionalen Nachschlag, der Hoffnung macht, der Joker:
Clubfan der Woche
Markazero hätte am 26. April seinen 56. Geburtstag gefeiert. Leider ist unser Künstler vor knapp zwei Jahren viel zu früh gestorben. Gelebt hat er viele Jahre in Düsseldorf. Seinen fränkischen Wurzeln ist er immer treu geblieben, auch unserem Club blieb er treu und die meisten von uns werden sich gerne an die trockenen und lustigen Kommentare auf CU von Markazero zurückerinnern, manche auch an den Menschen Markazero…
Hoffnung der Woche
…und wo auch immer Markazero jetzt wirkt, ich bin mir sicher:
Er wird seine Hände nutzen, um dem strauchelnden Club die Daumen zu drücken und wer weiß, vielleicht kann er mit seinen Händen auch das Glück für den Club etwas beeinflussen, das Gesamtbild restaurieren, vielleicht gelingt es ihm auch, den Glücksrittern der letzten Wochen, den Fortunen deren Fortune zu überpinseln.
Seit Markazero nicht mehr unter uns ist, hat der Club viermal gegen Fortuna gespielt. Und immer, wenn es drauf ankam, könnte man meinen, er habe seine Hände im Spiel gehabt.
Am 12. Spieltag 22/23 reiste der Club als 16. an den Rhein, Düsseldorf bis dahin zuhause ungeschlagen, rangierte auf Platz 5. Das Spiel endete mit einem 1:0-Überraschungs-Auswärtssieg der Clubberer, trotz Ex-Trainers Weinzierl. Unglaublich…
Im Rückspiel am 29. Spieltag empfing der Club als 14., mit gerade einmal drei Pünktchen Vorsprung auf den Relegationsplatz, die noch mit leisen Hoffnungen auf Platz drei schielenden Fortunen, Platz vier zu diesem Zeitpunkt. Der Trainer beim Club hieß inzwischen Dieter Hecking. Das Spiel entschied der Club mit 2:0 für sich. Duah traf wie schon im Hinspiel und Brown erzielte sein erstes Tor für den Club.
Unglaublich…
Zwischen den beiden Begegnungen trafen die beiden Vereine im DFB-Pokal aufeinander.
Im Elfmeterschießen setzte sich der Club durch. Einen wunderbaren Geistesblitz hatte in dieser Partie Florian Flick, der einen Platzverweis in Kauf nahm und den Club damit ins Elfmeterschießen rettete.
Unglaublich…
Diese Saison im Hinspiel stand der Club solide im Mittelfeld. Ein künstlerisches Eingreifen schien nicht nötig. Es kam ja nicht drauf an. Ein 0:5 später hat Markazero wohl seine Leinwand demoliert…, einmal, wenn man nicht Acht gibt.
…diesmal gilt es wieder. Es kommt sowas von drauf an.
Lieber Markazero, ich verlass’ mich auf Dich und bin gespannt, welche Überraschung Du parat hast. Uzun, Goller, meinetwegen Geis, Hauptsache: Drei Punkte für ein Halleluja!
Nachtrag: Damit uns keiner nachsagen kann wir Franken wären „Elendiche Bessimisdn“ hier der Beweis. Teo hat auf den Glubb gesetzt!
Against all Odds!
Autor: Teo
Bildquelle: Knirpzz, Juwe